11. Dezember 2021

Lancia Fulvia

Oldtimer für Furore

Ein himmelblauer Lancia Fulvia aus Venetien wird gerade verehrt, als ob er eine Statue der Madonna wäre.

Der Lancia Fulvia im Städtchen Conegliano.

Seinen Erfolg hat er den sozialen Netzwerken zu verdanken, die selbst leblose Materie in bewunderte Stars verwandeln können. Nicht viele Tage sind es her, dass ein Bürger aus dem venezianischen Städtchen Conegliano eine Fotografie eines Oldtimers gepostet hat.

Seither hat die Geschichte des Gefährts aus den siebziger Jahren eine regelrechte Weltreise hinter sich. Und das, ohne dass sich der himmelblaue Lancia Fulvia auch nur einen Millimeter von seinem Standort bewegt hätte – genau gezählt seit nunmehr 47 Jahren.

Besitzer ist der 97-jährige Angelo Fregolent. Er hatte den Wagen, einen himmelblauen Lancia Fulvia, im Jahre 1974 genau vor seinem Kiosk parkiert. Das Auto diente ihm als zusätzlicher Stauraum und Ablagefläche für die Zeitschriften und Zeitungen.

Die einzige Fahrt, die Fregolent unternommen hat, sind die zwanzig Kilometer vom Autohändler bis zum Parkplatz in Conegliano. Sogar vier Liter des Benzins, das damals abgefüllt wurde, sollen sich noch im Tank befinden. Die Reifen sind längst platt. Die Karosserie hat an einigen Stellen Rost angesetzt. Auch Moos wächst auf dem Oldtimer.

Den Bewohnerinnen und Bewohnern gibt das immobile Gefährt offensichtlich viel moralischen Rückhalt in sonst turbulenten Zeiten. Zu Hunderten deklarierten sie nach dem «Outing» auf Facebook, wie sehr ihnen die Blechkarosse ans Herz gewachsen sei. Sogar Luca Zaia, der Regionalpräsident von Venetien, meldete sich zu Wort.

Der Politiker der rechten Lega stammt aus der heute 35 000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Gemeinde und erinnert sich lebhaft an die Zeit, als er auf dem Weg zur Schule jeweils am Auto vorbeilief.

Die Lokalzeitung schrieb mit viel Bewunderung: «Das Faszinierende am Auto ist, dass es zwar alt ist und müde, aber nach wie vor auf den Beinen. Es wankt nicht, und weil es geradezu unsterblich wirkt, verdient es auch, verehrt zu werden.»

Trotz allem war dem Gefährt ein nahes Ende beschieden. Die lokalen Behörden haben vor, den Straßenzug, an dem der Lancia parkiert ist, neu zu gestalten. Deshalb muss der Wagen nach 47 Jahren Stillstand seinen Platz verlassen.

Aus der entstandenen Euphorie um die außergewöhnliche Karosse entsprang innert Kürze eine Lösung: Der Lancia wird ein paar Meter weiter umparkiert. Der örtliche Oldtimerklub lässt den Wagen nun auf eigene Kosten renovieren, bevor er an seine vermutlich letzte Ruhestätte kommt, die sich im Hof einer renommierten Weinbauschule befindet. Liebe kann Berge versetzen. Und in Italien ist die Liebe zu Autos eben ganz besonders gross.

Quelle Neue Züricher Zeitung

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Ein Kommentar

  1. Annette 2. Januar 2022 at 22:38 - Reply

    Wundervoll!!

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